Ob ein Beschäftigter, der an seinem Arbeitsplatz ohne triftigen Grund durch eine Videokamera überwacht wird, seinen Arbeitgeber auf Schmerzensgeld verklagen kann, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.
10.6.2014 (verpd) Ein Mitarbeiter, der ohne einen triftigen Grund an seinem Arbeitsplatz rechtswidrig durch eine Videokamera überwacht wird, hat seinem Arbeitgeber gegenüber einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Mit diesem Urteil (Az.: 2 Sa 540/12) hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eine gleichlautende Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.
Ein Mann arbeitete als Weber bei seinem Arbeitgeber, als Mitte Dezember 2011 Videokameras zur Überwachung der Halle, in welcher er tätig war, angebracht wurden. Durch die Videoüberwachung fühlte sich der Mann derart beeinträchtigt, dass er anfing, unter gesundheitlichen Beschwerden zu leiden.
Rechtwidriger Eingriff?
In seiner gegen seinen Arbeitgeber eingereichten Schmerzensgeldklage trug er vor, dass die Überwachungsmaßnahme einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle. Denn einen Grund, ihn zu überwachen, bestehe nicht.
Das stellte der Arbeitgeber auch nicht in Abrede. Er behauptete vielmehr, dass man sich deswegen zu der Überwachung entschlossen habe, weil in der Vergangenheit eine Webmaschine gestohlen worden sei. Nur um weitere Diebstähle zu verhindern beziehungsweise die Täter dingfest zu machen, habe der Vermieter der Halle die Videokameras installieren lassen.
Um eine Überwachung des Arbeitnehmers sei es zu keinem Zeitpunkt gegangen. Doch das konnte weder die Richter des Arbeitsgerichts Trier noch ihre Kollegen vom rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgericht überzeugen. Sie sprachen dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 650 Euro zu.
Massiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Nach Ansicht der Richter greift eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz grundsätzlich massiv in das Persönlichkeitsrecht des überwachten Arbeitnehmers ein. Sie muss daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dass aber die Überwachung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers notwendig war, hat sein Arbeitgeber nicht nachweisen können.
Denn sollte der Arbeitgeber tatsächlich Angst vor einem möglichen Diebstahl einer weiteren Maschine gehabt haben, so hätte eine Überwachung des Hallentors ausgereicht, durch welches ein derart sperriger und schwerer Gegenstand zwangsläufig abtransportiert werden muss. Unabhängig davon konnte der Arbeitgeber nicht beweisen, dass in der Vergangenheit tatsächlich eine der Webmaschinen gestohlen worden war.
Eine allgemeine und ohne konkreten Anlass geäußerte Angst vor Diebstählen reicht in der Regel jedoch nicht aus, gegen den Willen eines Beschäftigten eine Videoüberwachung seines Arbeitsplatzes zu veranlassen, so das Gericht.
Ähnlicher Fall
Der Arbeitgeber kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nicht er, sondern der Vermieter die Kameras hat anbringen lassen. Denn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht wäre er dazu verpflichtet gewesen, die rechtswidrige Videoüberwachung zu unterbinden. Nach all dem sah das Landesarbeitsgericht keine Veranlassung, eine Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Gericht mit den juristischen Grenzen einer Videoüberwachung zu befassen hat. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte bereits im Oktober 2010 entschieden, dass ein Arbeitgeber zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet sein kann, wenn er im Eingangsbereich zu seinen Geschäftsräumen eine Kamera anbringen lässt.
In dem zu entscheidenden Fall hatte die Kamera nicht nur den Eingang selbst, sondern auch einen dahinter befindlichen Arbeitsplatz eines Mitarbeiters überwacht.
Auch ein gewonnener Arbeitsgerichtsstreit kann teuer werden
Wie die genannten Fälle zeigen, führen die Kontrolle und Überwachung am Arbeitsplatz immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Gibt es keine Einigung und möchte der Arbeitnehmer deswegen vor dem Arbeitsgericht klagen, müssen unabhängig vom Ergebnis der Arbeitgeber und der klagende Arbeitnehmer in der ersten Instanz die jeweiligen Kosten selbst tragen.
Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer wie im genannten Fall vor Gericht recht bekommt. Eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung würde jedoch im Versicherungsfall, wenn der Versicherer vorher eine Leistungszusage erteilt hat, die Kosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitfälle übernehmen.