Ob ein Haus- und Grundbesitzer wirklich rund um die Uhr seiner Räum- und Streupflicht nachkommen muss, um nicht haften zu müssen, wenn ein Passant auf seinem Grundstück stürzt, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.
24.11.2014 (verpd) Die Räum- und Streupflicht gilt nicht unbegrenzt und steht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren. Es genügt, wenn an Werktagen ab sieben Uhr geräumt und gestreut wird, auch wenn davor schon Personen auf dem Grundstück sind. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken hervor (Az.: 2 U 113/13).
Ein Bäcker, der einen „Brotbring-Dienst“ betreibt, belieferte an einem Wintertag morgens gegen sieben Uhr einen Kunden. An diesem Tag lag Schnee und die Straßen waren nach Aussage des Bäckers sehr glatt. Der Schwiegersohn des Kunden hatte noch vor sieben Uhr einen schmalen Weg über das Grundstück bis zur Haustür geräumt und gestreut. Da der Haupteingang zum Haus wie üblich abgesperrt war, nutzte der Bäcker einen Seiteneingang, zu dem man über die Einfahrt auf das Grundstück gelangte. Dieser Weg war nicht beleuchtet.
Er rutschte dabei in der Einfahrt aus, brach sich das Wadenbein und musste sich aufgrund von Komplikationen einer langwierigen Behandlung unterziehen. Vor dem Landgericht Saarbrücken reichte der Bäcker daraufhin eine Klage auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 25.000 Euro und Schadenersatz gegen seinen Kunden ein.
Vereister Weg
Aus Sicht des Klägers hatte der als Zeuge auftretende Schwiegersohn den Weg nur geräumt, aber nicht gestreut. Da der gesamte freigelegte Weg vereist war, sei die Gefahrenlage dadurch erst geschaffen worden. Außerdem hätte der Weg beleuchtet werden müssen. Dies bestritt der Hauseigentümer, auf dessen Grundstück der Bäcker stürzte.
Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, eine Verletzung der Räum- und Streupflicht sei nicht erwiesen. Auch könne sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Weg nicht beleuchtet gewesen sei.
Auch in der Berufungsinstanz hatte der Kläger keinen Erfolg. Der Bäcker hat aus Sicht des Gerichts gewusst, dass es an diesem Morgen sehr glatt und der Weg generell nicht beleuchtet war. Deshalb hätte er Maßnahmen ergreifen müssen, um einen Schaden zu verhindern. Er hätte entweder die Auslieferung unterlassen, per Mobiltelefon von der Straße aus auf sich aufmerksam machen oder die Ware am Fußweg ablegen können.
Nicht zumutbar
Zudem sei unklar, ob sich der Unfall nicht schon vor sieben Uhr – also dem Beginn der Räum- und Streupflicht – ereignet habe. Eine vorbeugende Streupflicht vor diesem Zeitpunkt ist nur dann gegeben, wenn mit entsprechendem Verkehr gerechnet werden muss – wenn nur einzelne Personen, wie Zeitungsausträger, das Grundstück betreten, gelten die allgemein üblichen Zeiten. Aus Sicht des Gerichts war der Weg gestreut gewesen.
Dem Eigentümer eines Privatanwesens sei nämlich nicht zuzumuten, häufiger als alle zwei Stunden zu prüfen, ob das Streumaterial noch wirkt, und gegebenenfalls nachzustreuen. Für die Pflicht zur Beleuchtung eines Privatgrundstücks gelten die gleichen Regeln der allgemeinen Verkehrssicherungs-Pflicht. Sie setzt erst dann ein, wenn der allgemeine Verkehr beginnt, also nicht vor sieben Uhr morgens. Insgesamt sah das Gericht die Verantwortung für den Sturz deshalb bei dem Kläger und wies die Klage zurück. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Immobilienbesitzer, die eine Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht-Police, oder Eigentümer eines selbst genutzten Einfamilienhauses, die eine private Haftpflichtversicherung haben, sind im Übrigen doppelt geschützt. Denn zum einen übernimmt eine solche Police nicht nur berechtigte Schadenersatz-Forderungen Dritter, wenn tatsächlich die Streupflicht verletzt wurde, sondern wehrt auch ungerechtfertigte Ansprüche wie in dem genannten Fall ab.